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Die Geschichte des
ältesten Hauses der Grafschaft

Kraans Huus - Bild Außenansicht alt
Kraans Huus - Fenster vor der Renovierung

Der ursprüngliche Kernbau (1546 d)

Das mit dem Giebel zur Wilhelmstraße und mit der linken Seite an der stark abschüssigen Kipkerstiege stehende Fachwerkhaus wurde 1546 (d) neu mit 4-Fach Länge in durchgezapften Ankerbalken errichtet. Viele Details dieses Baus sind durch spätere Umbauten verlorengegangen oder derzeit hinter jüngeren Verkleidungen noch nicht sichtbar. Es hatte eine Kübbung an der rechten Seite und wohl eine befahrbare Diele mit einem Dielentor, das sich vermutlich rechts im Vordergiebelgebinde befand. Darüber befand sich ein vorgekragter Steilgiebel. Das Giebeldreieck war vermutlich

verbrettert, jedoch kann, da alle Teile der alten Giebel bei späteren Umbauten beseitigt wurden, ein Fachwerkgiebel (in Bentheim gab es einige davon) ebenfalls nicht gänzlich ausgeschlossen werden.

Die Innenaufteilung solcher derart alter Bauten in der Grafschaft Bentheim zu erschließen, ist bisher stets auf große Probleme gestoßen, da eventuell vorhandene ursprüngliche Einbauten nachfolgend in bisher jedem Fall allesamt ausgeräumt worden waren und am verbliebenen Gefüge nur sehr wenige Spuren davon erkennbar geblieben sind. Wir müssen davon ausgehen, dass diese Einbauten auch nicht regulär im Gefüge verzapft waren, sondern in einem separaten Ausbauschritt durchweg allenfalls mit Anblattungen oder sogar stumpf genagelt eingebaut wurden. Solche alten Einbauten sind daher immer auch sehr schwer von jüngeren, in ähnlicher Weise hergestellten zu unterscheiden. In Bestätigung dieser regelmäßigen Beobachtung finden sich auch an diesem Gebäude im Kerngefüge keine als Ansätze von Wänden 0.8. interpretierbaren Zapflöcher oder Anblattungen. Im vorderen Bereich sind die Deckenbalken zudem noch durch eine Paneldecke aus dem 19. Jh. verdeckt und damit derzeit noch unzugänglich. Auf der anderen Seite würde das Fehlen fest eingefügter Fachwerkkonstruktionselemente erklären, warum auch viele heute noch vorhandene Wände im Inneren keinen Bezug zur Holzkonstruktion aufweisen.

Bei der Frage nach der ursprünglichen Innenraumstruktur ist man somit auf Analogschlüsse und sinnhafte Deutungen angewiesen. Danach dürfte sich in den vorderen beiden Fachen auf der linken Seite ein stubenartiger Einbau befunden haben, der mit relativ großen Fenstern von der Straße belichtet wurde. Rechts daneben befand sich die bereits erwähnte, wohl nur torbreite und von der Wilhelmstraße her befahrbare Diele. Die Kübbung, die später vergrößert wurde und von deren ursprünglicher Konstruktion sich keine Reste erhalten haben, dürfte weitgehend zur Diele geöffnet gewesen sein und Stallungen und Abstellflächen aufgenommen haben. Die Existenz dieser Kübbung von Anfang an ist zweifelsfrei erwiesen, da die rechteGefügeseite innenbündig verzimmert ist, was an einer hohen Außenwand mehr als ungewöhnlich gewesen wäre.

In den hinteren beiden Fachen des vierfachigen Hauses muss sich der Wohnbereich befunden haben. Er erstreckte sich bis zum Rückgiebel, der zwei Zwischenständer und nur eine einzige Riegelkette aufwies, die beide durch deutliche Zapfenlöcher belegt sind. In seinem linken Fach (zur Kipkerstiege hin) zeugt eine Einblattung im Balken noch von einem Fenstereinbau. Markantestes Detail des Wohnteils war ein Schornsteinstapel im Rückgiebel. Er ist deshalb als erwiesen anzusehen, da der alte Rückgiebelbalken rechts und links an der Unterseite Rillen für Ausstakungen aufweist, dort also Fachwerkwände waren, nicht jedoch im mittleren Fach. Dort fehlt auch ein Stück des ursprünglichen Balkens; zu einem späteren Zeitpunkt wurde diese Lücke durch ein Balkenstück mit zwei schrägen Blättern (wieder) geschlossen. Der jetzt noch erhaltene Schornsteinstapel ist mehrfach umgebaut worden, könnte aber noch ursprüngliche Teile enthalten. Massive Schornsteinstapel dieser Art sind in Bentheim als regelhaft anzunehmen und teilweise auch an Häusern (z.B. Haus Westerhoff, Heeresstraße) belegt oder auf alten Fotos deutlich zu erkennen.

 

Bemerkenswert ist auch, dass der ursprüngliche Rückgiebel des Kernbaus im Gegensatz zum Vordergiebel keine Vorkragung besaß. Auch das deckt sich mit dem Befund am Haus Westerhoff.

Das Dachwerk war ein Sparrendach mit geblatteten und mit einem Holznagel fixierten Kehlbalken. Auffallend aber auch sehr charakteristisch für derart frühe Bauten, ist der schlanke, absolut splintholzfreie und scharfkantige Querschnitt der ausgesprochen geraden

Sparren.

Die Verlängerung (1621 d)

Um das Jahr 1621 wurde der vier Fache lange Kernbau an der Rückseite um zwei weitere Fache verlängert. Dabei entstand zur Kipkerstiege hin ein aus Sandsteinguaden errichteter Keller mit Balkendecke. Diese Decke weist ein bemerkenswertes Detail auf, indem im Bereich des Schornsteinstapels eine steinerne Decke dadurch gebildet wurde, dass man eine halbe Ziegeltonne gegen den ersten Deckenbalken des Kellers mauerte. Dabei muss es sich um den Unterbau einer wandnahen Feuerstelle, direkt am Stapel, gehandelt haben. Obwohl der rechte Teil dieser Verlängerung durch einen Brand im 19. Jh. schwer beschädigt wurde, wobei insbesondere das Rähm erneuert wurde, lässt sich weiterhin noch immer beobachten, dass die Konstruktion des ersten neu hinzugefügten Gebindes nur an der Seite zur Kipkerstiege eine reguläre Ankerbalkenverzimmerung zeigte, auf der anderen Seite der Balken jedoch ca. 1, 4 m vor Erreichen der Gefügewand durch einen mit zwei Kopfbändern verstrebten Ständer unterstützt wurde, der sich in der Trennwand zum rechten hinteren Flur noch erhalten hat, der aber leider durch Abbeilen auf der rechten Seite so stark gedünnt wurde, dass eventuelle Zapfenlöcher dabei verlorengegangen sind. Durch den erwähnten Brandschaden und umfangreiche Umbauten ist nicht mehr erkennbar, wie die Konstruktion im Kreuzungsbereich von Balken und rechter Gefügewand aussah. Es spricht jedoch vieles dafür, dass hier nur ein kurzer Stummelständer ohne Kopfbänder in das Rähm eingriff, unten jedoch von einem Unterzug abgefangen wurde, so das hier ein stützenfreier Raum entstanden sein muss. Im heutigen Gefüge ist davon rein gar nichts mehr zu erkennen!

Diese Befunde legen den Schluss nahe, das die Verlängerung des Hauses primär zur Schaffung einer Kemenate (eines Saales), also eines vom übrigen, weitgehend offenen Haus abgeschiedenen und mit einer Feuerstelle versehenen gehobenen Wohnraumes diente.

Dabei dürfte es sich um einen offenen Kamin mit Feuer direkt am Schornsteinstapel gehandelt haben. Für diese Vermutung sprechen auch zwei Zapflöcher bzw. Einblattungen für zwei firstparallele Wechsel, bei denen es sich um die Träger eines Teils des Schornsteins
bzw. des Rauchfanges gehandelt haben könnte.

Durch den Anbau mussten die - anhand von Spuren nachweisbaren -Fenster im Rückgiebel beseitigt werden. Zur Belichtung der Wohnzone müssen damals also in die linke Seitenwand zur Kipkerstiege Fenster eingebaut worden sein. Einige Blattsassen an den Ständern könnten darauf hindeuten. Danach dürfte es sich um fast deckenhohe Kreuzpfostenfenster mit Bleiverglasung oben gehandelt haben.

Die Erneuerung der Kübbung

Vermutlich im 18. Jahrhundert (1715 d ?) wurde die Kübbung durch eine breitere und höhere Nachfolgerin ersetzt. Von deren noch vollständig in Fachwerk ausgeführter Traufwand ist zur Straße hin unter Zementputz noch ein kleiner Teil erhalten. Auf der ganzen Länge existiert noch das alte Wandrähm mit Zapflöchern und Anblattungen von Fensterstielen, leider nicht auf der ganzen Länge freiliegend. Die ehemals vermutlich niedrigere Decke — die Höhe wäre durch Freilegung der verbliebenen Außenwandständer zu ermitteln — wurde wohl erst im 20 Jh. herausgenommen und auf Rähmhöhe angehoben. Dabei muss die niedrigere Deckenhöhe noch lange existiert haben, da bei den Umbauten um 1860 je ein Fenster zum Dachraum der Kübbung angelegt wurde, das sich mit der heutigen Deckenhöhe schneiden würde und vermutlich genau deshalb, erkennbar wohl erst nach 1950, verschlossen wurde. Bei diesen Umbauten der Kübbung wurde auch die dortige Raumstruktur stark verändert, sodass zur älteren nur noch wenige Aussagen getroffen werden können. Besondere Bedeutung kommt hierbei den Spuren etlicher Türen und Öffnungen zu, die sich in der rechten inneren Gefügewand noch erhalten haben.

Umbau der Wand zur Kipkerstiege

Die Wand zur Kipkerstiege wies ursprünglich zwei Riegelketten auf, die sich auch in die Verlängerung fortsetzten. Auffallend dabei ist, dass das Gefüge ein starkes talwärtiges Gefälle zeigt, das von Anfang an vorhanden gewesen sein muss. Die Wand des ursprünglichen Kernbaus von 1541 war vermutlich fensterfrei. Eine der ältesten Veränderungen dürfte nach der Verlängerung 1621 der Einbau von hohen Kreuzpfostenfenstern in den mittleren beiden Fachen gewesen sein, der angefügte Anbau hat solche Fenster zur Kipkerstiege hin wohl

eher nicht besessen, obwohl dort heute ein großes ehemaliges Schiebefenster eingebaut ist, da der große Raum der Kemenate hinreichend vom neuen Rückgiebel her belichtet werden konnte. Sollte von Anfang an hingegen an der Seite zur Kipkerstiege eine schmale Kammer abgetrennt gewesen sein, müsste diese natürlich ein Fenster zur Seite gehabt haben. Die Kopfbänder des Längsverbandes waren ursprünglich nicht sichtbar und durch eine vorgesetzte dünne Lehmflechtwerkschale kaschiert. In der Zeit um 1800 wurde die Wand grundlegend verändert. Die Riegelketten wurden entfernt und eine neue - tiefere — Riegelkette eingebaut, auf die die Kusins von insgesamt drei sehr breiten Schieberahmen mit Kontergewichtsführungen gesetzt wurden. Die Kopfbänder wurden auf die Flucht der Wand aufgedoppelt und die Wände ohne weitere Riegel mit Ziegeln ausgemauert, wobei die Kopfbänder teilweise mit „holländischen Dreiecken“ angestoßen wurden. Die Fache an den beiden Enden wurden überdies noch wenig später massiv erneuert.

Brandschaden
und weitere Erneuerungen im 19. Jahrhundert

Um 1860 muss es in dem Haus einen größeren Brand gegeben haben. In der Folge wurde das gesamte Dachwerk abgetragen. Die alten zumeist angekohlten Sparren wurden jedoch nicht verworfen, sondern, sowie noch brauchbar, ergänzt durch Nadelholzsparren, in engerer Stellung und mit leicht verringerter Dachneigung wieder aufgesetzt. Der Vordergiebel wurde massiv neu errichtet und erkennbar vor allem an der linken Ecke ein wenig in den Straßenraum vorgeschoben. An den Ecken wurden etwas vorgerückte Pilaster mit einer profilierten Abdeckung aus Sandstein eingefügt, der neu geschaffene Krüppelwalm erhielt ein breites, profiliertes Traufsims, das heute nicht mehr vorhanden, sondern durch eine jüngere Konstruktion ersetzt ist. Spätestens zu diesem Zeitpunkt muss auch die straßenseitige Stube beseitigt worden sein. Hier entstand unter Einbeziehung der ebenfalls aufgegebenen Diele (das Fundament der dazu abgebrochenen Längswand ist noch vorhanden) ein nahezu quadratischer Verkaufsraum mit einem firstparallelen Stahlträgerunterzug, der mittig von einer Gusseisensäule getragen wird. Die Decke selbst wurde mit gestülpten Profilbrettern verkleidet; derartige Decken sind in der Obergrafschaft sehr häufig anzutreffen. Im Vordergiebel wurde der Raum mit einem Zwillingsfenster mit gewimperten Segmentbögen versehen, das ebenfalls durch eine Gusseisensäule geteilt wird. Leider haben sich keine Reste der dazugehörigen Fensterrahmen erhalten. Es liegt nahe, dass es sich um Gusseisenrahmen mit auffälliger Sprossenteilung gehandelt hat. Die übrigen Fenster dieses Giebels wurden vollkommen anders nach niederländischer Tradition als „Sesruiter“- Schiebefenster mit Holzkusins ausgeführt, die mit einem scheitrechten Ziegelsturz von 1 % Stein Höhe überdeckt wurden. Auch die Ausbildung der Haustür folgte diesem Stil. Sie erhielt eine klassische breite, auf den Vertikalen möglicherweise kannelierte Bekleidung mit Sims. Sie wurde wohl in den 1970er Jahren entfernt und wäre ggf. aus Analoga oder aus alten Fotos zu rekonstruieren. Der linke Giebelständer wurde beseitigt und das vordere Fach der linken Traufwand massiv in 1 Stein Stärke erneuert.

Die massive Erneuerung des Rückgiebels muss wegen der einheitlich veränderten Dachkontur zum selben Zeitpunkt erfolgt sein. Er zeigt jedoch zwei weitere Umbauphasen, die sich deutlich im Mauerwerk abzeichnen: Um 1900 wurden die beiden Fenster im Dachgeschoss völlig verändert und dabei mit einem 1 Stein hohen Segmentbogen abgeschlossen. In den 1930-er Jahre wurde die Fensterzone des Erdgeschosses herausgenommen und völlig neu aufgemauert. Die sehr umfassende Erneuerung des Mauerwerks - teilweise mit den alten Steinen - lässt präzise Aussagen zu Größe und Gestaltung der ehemaligen Fensteröffnungen kaum noch zu.

Um 1890 wurde das Dach neu mit kleinformatigen, blau gedämpften „Boulet"-Pfannen der Fa. Berg en Dal eingedeckt. Vorgänger dieser Deckung dürfte seit der Erbauung ein verdocktes Dach aus Hohlpfannen gewesen sein.

Die Anlage einer großen Regenwasserzisterne, die sich hinter dem gesamten Rückgiebel zu erstrecken scheint, ist sehr typisch für Bentheim. Wegen des Felsens war man dort durchweg auf die Versorgung mit Regenwasser angewiesen, weshalb auch Bentheim relativ früh eine öffentliche Wasserversorgung erhielt. Die Anlage dieser nur über einen schmalen Schacht an der seitlichen Grundstückgrenze zugänglichen Zisterne erfolgte vermutlich erst im späten 18. oder sogar erst im 19. Jh.

Umbauten im Inneren

In die erste Hälfte des 19. Jh. datiert ein Umbau von Küche und Herdstelle. Die Herdstelle wurde dabei unten mit zwei kassettierten Sandsteinplatten versehen, darüber wurde ein Spiegel aus handgemachten niederländischen weißen Fliesen angebracht. Links davon wurde die Zugangssituation zu Keller und Saal verändert. Dabei wurde vermutlich die Kellertreppe verändert, möglicherweise eine ältere aus Holz durch die jetzige, gewendete Sandsteintreppe ersetzt. Die Querwand wurde ein Stück in die Küche gerückt und es wurden zwei Brettertüren mit Scheinfüllungen eingebaut. Die Küche erhielt einen Belag aus diagonal verlegten gelben und schwarzen Steinzeugfliesen im Format 20x20 cm, vermutlich (nach vergleichbaren Böden, wo die Fliesen zwischen 1860 und etwa 1890 datieren) von Utzschneider & Cie in Sarreguemines.

Ins frühe 20 Jh. fällt der Einbau der jetzigen Treppe mit Veränderungen im Umfeld sowie wohl auch dann erst der Ausbau des Dachgeschosses, obwohl insbesondere der Vordergiebel schon lange für einen solche Dachausbau vorbereitet war. Obwohl der Dachgeschossausbau zwischenzeitlich fast vollständig beseitigt wurde, wurden als für das frühe 20. Jh. typische Baustoffen noch Reste von Gipsdielen mit Rohrarmierung angetroffen.

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